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  • © 2022 Rolf Moser 0

Rolf's Blog

Pflegeinitiative braucht ein Ja !

Pflegeinitiative braucht ein Ja

Pflegerin
Im Artikel des Tagesanzeigers vom 05.11.2021 wird kolportiert, dass das Pflegepersonal in der Schweiz genug verdient. Diesen Beitrag möchte ich nicht unwidersprochen lassen.
Ich möchte den Artikel im Tagesanzeiger vom 05.11.2021 "Verdient das Schweizer Pflegepersonal wirklich zu wenig?" von Markus Brotschi, Luca De Carli nicht so stehen lassen, ohne das ich einen Kommentar dazu abgebe (Bezahlartikel auf Tagesanzeiger.ch)

Ich habe in der Vergangenheit auch schon mit Ruth Humbel (Die Mitte) diskutierte, welche auch hartnäckig behauptet, dass das Gesundheitspersonal (insbesondere das Pflege-Personal) attraktive Löhne hat. Wie die Löhne des Pflegepersonals im statistische Lohnrechner Salarium zustande kommen, ist mir ein Rätsel. Gemäss dem Lohnrechner müsste der monatliche Lohn meiner Frau im Bereich von CHF 8'422.- und CHF 10’599.- liegen; wohlbemerkt bei einem Arbeitspensum von 80%!

Pflegefachfrau Pfleger
Quelle Bilder: 20Minuten

Die zitierten Lohnbänder stimmen in keiner Art und Weise. Woher diese exorbitanten Löhne kommen, ist mir ein Rätsel. Mit dem Artikel und den in meinen Augen falschen Angaben bezüglich den Lohnbändern spielen die Autoren klar den Gegnern der Pflegeinitiative in die Hände! Aufgrund der Reaktionen auf den Artikel in den Kommentaren zum Artikel, müssten den Verfassern klar sein, dass die zitierten Angaben weit weg von jeglicher Realität sind.

Ich selber bin Ehemann ein Abteilungsverantwortlichen in der Alterspflege. Meine Frau hat eine führende Position als Abteilungsleiterin (Pflegefachfrau HF, Tertiärstufe); über 30 Jahre Berufserfahrung (63 Jahre alt) in einem Alterspflege-Heim im Kanton Aargau. Sie ist Total für 30 zu pflegende Bewohner zuständig und managed die 15 Angestellte ihrer Abteilung!

Aufgrund der enormen Belastungen in ihrem Beruf arbeitet meine Frau 80% ! Der jährliche Brutto-Lohn meiner Frau beträgt CHF 98’000.- bei 100%. Bei einem 80% Pensum sind dies CHF 78’400.- resp. CHF 6’030.- monatlich, plus am Ende des Jahres noch der 13. Monatslohn.

Der Verdienst meiner Frau ist somit Monatlich CHF 2392.- tiefer als der im Tagesanzeiger-Beitrag publiziert Lohn (und ich habe den tiefsten Ansatz im Lohnrechner genommen).

Woher kommen diese Differenzen?

Hier wünschte ich mir von Journalisten, dass sie korrekt recherchieren und die von ihnen kolportierten Zahlen richtig stellen. Sprechen sie mit Pflegenden über ihren Lohn. Es wird sich ein klar anderes Bild herauskristallisieren als im Beitrag!

Meine Frau beginnt an einem Arbeitstag jeweils um 06:45 Uhr ihre Schicht. Sie verlässt das Heim oft erst nach 18:00 Uhr. Mittagspause oft nur 15 Minuten. Obwohl sie eine Abteilung leitet, arbeitet sie oft zusätzlich 100% in der Pflege, da ohne dieses Engagement die Versorgung der Bewohner nicht gewährleistet werden könnte.

Ich selber bin bereits in Rente und erlebe meine Frau nach einem solchen Arbeitstag völlig erschöpft. Oft wird noch vor dem Nachtessen ein kurzer "Power Nap" eingelegt. Nach einem solchen ambitiösen Arbeitstag erledigt meine Frau oft noch remote Arbeiten am Computer, welcher sie während der Arbeitszeit nicht erledigen konnte (Leistungserfassung (codieren), Personalplanung etc.). Diese HomeOffice Arbeiten sind vom Arbeitgeber nicht bezahlt!

Zusätzlich gibt es auch während der Freizeit und in den Ferien laufend Rückfragen der Mitarbeiter und der Verwaltung (telefonisch und per Mail). Kurzfristiges Einspringen bei Arbeitsausfall eines Mitarbeiters oder Mitarbeiterin gehört ebenfalls zur Tagesordnung.

Im Artikel wird auch unterschlagen, dass sehr viele Pflegende wegen der exorbitanten Belastung nur ein Teilzeit-Pensum ausführen können (z.B. 80%). In diesem 80% Pensum wird jedoch eine Arbeitsleistung abgerufen, die oft ein 100% Pensum übersteigen. Somit ist natürlich die Entschädigung entsprechend „lausig“. 80% Lohn für 100% Leistung.

Das in der Pflege ein Notstand herrscht, ist seit langem bekannt (seit Jahrzehnten). Politiker plädieren gegen die Pflegeinitiative mit Argumenten wie der Zuständigkeit der Kantone (keine Aufgabe des Bundes). Die Kantone sind aber seit Jahrzehnten untätig und vernachlässigen ihre Aufgaben und Pflichten. Das ist mit ein Grund, weshalb man die Verantwortung auf Bundesebene verankern will, damit endlich Druck auf die Kantone gemacht werden kann und diese sich bewegen müssen.

Ein weiteres Argument das von den Gegnern aufgeführt wird, ist, dass ein Berufsstand nicht in die Bundesverfassung gehöre (keine Sonderstellung eines Berufs). Es wird hier unterschlagen, dass im entsprechenden Artikel bereits ein Berufsstand explizit erwähnt wird (Hausarztmedizin). Die Hausärzte sind im Artikel Art. 117a "Medizinische Grundversorgung" auf Verfassungsebene explizit erwähnt (Hausarztmedizin) (Medizinische Grundversorgung).

Die Gegner berufen sich auf den indirekten Gegenvorschlag, weil dieser mit der Ausbildungsinitiative umgehend umgesetzt werden könnte. Bund und Kantone sollen in den nächsten acht Jahren eine Milliarde Franken in die Ausbildung von Pflegefachkräften stecken. Dass in den Kantonen die rechtlichen Grundlagen für die Übernahme der Hälfte der Kosten erst geschaffen werden muss, wird unterschlage. Eine schnelle Umsetzung der Ausbildungsinitiative ist somit auch mit dem indirekten Gegenvorschlag mehr als fraglich!

Ich habe mich immer gewundert, weshalb in der Pflege der Markt nicht spielt. In anderen Berufen wird der Lohn von der Nachfrage bestimmt. Es wird immer wieder betont, das zum Beispiel im IT- und Bankwesen die exorbitanten Löhne eine Folge des fehlenden qualifizierten Personals sind. Dieser „Mecano" spielt jedoch im Pflege-Bereich überhaupt nicht. Hauptschuldige sind die Kantone und die Spitäler, welche den Markt stark regulieren.

Aus diesen Gründen ist ein starkes Ja zur Pflegeinitiative nötig!


Eine lesenswerte Kolumne von Rudolf Strahm zum Thema "Der Weg aus dem Pflegedesaster" der es mit seinem Beitrag auf den Punkt bringt (Bezahlartikel auf Tagesanzeiger.ch)
© 2022 Rolf Moser